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Pressemitteilung

Biber - Bachmuschel - Landwirtschaft - Langquaid geht es wissenschaftlich an

Hochkarätiger Ortstermin im "FFH-Gebiet Bachmuschelbestände südlich Thalmassing"

Johann Wocheslander, Peter-Michael Schmalz, Gerhard Schwab, Dr. Christian Stierstorfer, Dr. Katharin Stöckl, Andreas Schranner (Bildnachweis: privat)

Auch im Gebiet des Marktes Langquaid ist das Thema "Biber" angekommen. Dieses Mal aber in einer ganz besonderen Konstellation. Es geht nicht um das bekannte Spannungsfeld "Landwirtschaft" und "Biber" in der hiesigen Kulturlandschaft, sondern es geht um die Dreiecksbeziehung von Landwirtsschaft, Biber und der Rote-Liste 1-Art Bachmuschel (Unio crassus).

Nördlich von Paring in der Gemeinde Langquaid entspringt einer der Quellarme der Pfatter, die im Landkreis Regensburg in die Donau mündet. Im südlichsten Quellarm der Pfatter, dem Espergraben östlich des Weilers Stumpföd, wurden Ende der 1980er Jahre etliche Exemplare der vom Aussterben bedrohten Bachmuschel entdeckt. Deshalb wurde dieser Bachlauf zusammen mit den weiteren Quellästen vom Freistaat Bayern an die Europäische Union als sogenanntes Fauna-Flora-Habitat-Richtlinien-Gebiet (FFH-Gebiet) vorgeschlagen und dann in den 1990er Jahren von der EU als solches unter europäischen Naturschutz gestellt.

Die in Mitteleuropa bis zu 30 Jahre alt werdende und je nach Gewässermilieu durchschnittlich ca. 7 cm große Bachmuschel benötigt als Lebensraum saubere Gewässer mit einem ausgeprägten kiesigen, nicht verschlammten Untergrund (das sog. Interstitial) . Für ihre Fortpflanzung ist diese vom Aussterben bedrohte Muschelart darüber hinaus auch auf bestimmte Wirtsfische für ihre Larven angewiesen. Im Espergraben sind dies die Mühlkoppe und Elritze. Auch diese Wirtsfische benötigen einen unverschlammten kiesigen Untergrund.

Seit Anfang 2016 hat nun auch ein Biber Gefallen am Espergraben gefunden und dort mehrere Staudämme mit Ästen und Maisstengeln in dem Bachlauf angelegt. Aus dem ursprünglich schmalen und relativ flachen Bachlauf ist nun auf mehreren hundert Metern Länge eine Aneinanderreihung von bis zu 3 m breiten Staubereichen geworden.

Landwirt Johann Wocheslander aus Paring, dem links und rechts des Espergrabens auf mehreren hundert Metern Länge ca. 4 Hektar land- und forstwirtschaftlicher Grund gehören, war über den neuen Gast im Espergraben wenig erfreut. Der Aufstau des Bachlaufes bewirkte, dass seine Drainagen der angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr funktionierten und die Flächen daher sehr feucht und nur mehr eingeschränkt bewirtschaftbar sind. Er hatte sich daher an den Umweltreferenten des Markts Langquaid, Peter-Michael Schmalz (ÖDP), mit der Bitte um Hilfe gewandt.

Mit seinem Anliegen stieß Landwirt Wochenslander bei Peter-Michael Schmalz sofort auf offene Ohren. Kein Wunder, ist dieser doch in seiner Eigenschaft als zooökologischer Sachverständiger seit 1984 eng sowohl mit dem Thema Biber als auch mit dem Thema Bachmuschel befasst. Zum Einen war er Mitte 1980er Jahre beim Durchstich des  Main-Donau-Kanal durch Kelheim mit dem Abfangen und Umsetzen der dort lebenden Biber befasst. Zum Anderen kartierte er 1986/87 für das Bayerische Umweltministerium den Sallingbach von Abensberg bis Offenstetten auf das Vorkommen der Bachmuschel. Die damals von ihm gefunden 114 lebenden Bachmuscheln bildeten die Grundlage für das bayernweit erste sogenannte Arten- und Biotopschutzprojekt des Umweltministeriums zum Schutz von vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten.

Peter-Michael Schmalz, auch in seinem Hauptberuf als stellv. Leiter der Wasserschutzpolizei Regensburg mit Gewässerschutzfragen täglich befasst, organisierte nun ein hochkarätiges Wissenschaftlerteam um eine für alle Seiten zufriedenstellende und die eigene Existenz sichernde Lösung für die Dreiecksbeziehung im FFH-Gebiet nördlich Paring heraus zu arbeiten und auch tatsächlich umzusetzen. Sein breiter personeller und fachlicher Ansatz dabei war, dass bayernweite Erfahrungen zu solchen Dreiecksbeziehungen Eingang in die Problemlösung vor Ort finden und die Problemlösung damit beschleunigen sollten.

Nach vorbereitenden Gesprächen folgten der Einladung zum Ortstermin folgende Fachleute:

- Die Biologin Dr. Katharina Stöckl von der Muschelkoordinationsstelle Bayern, angesiedelt an der Technischen Universität München/Weihenstephan

- Der Biologe Dr. Christian Stierstorfer, Auwaldfachmann und Donaubeauftragter des Arten- und Biotopschutzverbandes LBV, Bezirksgeschäftstelle Straubing

- Der Biologe Gerhard Schwab M.Sc., freiberuflicher Biberberater in ganz Deutschland, aus Mariaposching

- Der Wasserbauer Andreas Schranner, für den Landkreis Kelheim zuständiger Abteilungsleiter vom Wasserwirtschaftsamt Landshut

Zunächst erläuterte Landwirt Johann Wochenslander die örtlichen Gegebenheiten. Als Kinder hätten seine Freunde und er am Espergraben bereits mit den damals noch häufig anzutreffenden Muscheln gespielt, sowie das saubere Wasser aus dem Esperbach getrunken. Am Boden hätte sie dann auch "Grundfische" gesehen. Seit Anfang 2016 habe er aber als Landwirt nun das Problem mit den Biberdämmen. Im seinem Waldbereich störten ihn die Dämme weniger, aber bei der Bewirtschaftbarkeit seiner offenlandigen Wirtschaftsflächen schon.

Anschließend berichtete Dr. Katharina Stöckl aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse über das Zusammenleben von Bibern und Bachmuscheln. Beide Arten hätten zum Teil unterschiedliche Lebensraumansprüche. Biber brauchen Stillgewässer, Bachmuscheln schlammfreie Fließgewässer incl. der zur Fortpflanzung notwendigen Fließgewässer-Fischarten, wie eben die von Landwirt Wochenslander als Kind beobachteten "Grundfische", sprich Mühlkoppen. Wirtsfische seien aber auch Elritze und Eitel (Döbel). In anderen Gegenden Bayerns habe man erreichen können, dass bei ausreichendem Uferrandstreifen-Grundbesitz durch die Anlage von flachgründigen Umleitungsgerinnen sowohl die Durchgängigkeit von Bächen erhalten blieb, als auch paralell dazu die Biberstaubereiche im alten Bachbett erhalten blieben.

Dr. Chistian Stierstorfer erinnerte daran, dass man den Biber nicht nur als Problemtier für die Landwirtschaft sehen solle, vielmehr sei der Biber ein exzellenter Hochwasserschützer, weil er mit seinen Dämmen bei Starkregenereignissen bereits in den Oberläufen der Flüsse Rückhaltekapazitäten schafft. Auch sei er der Wegbereiter für Moore, den besten CO2-Speichern, die wir überhaupt haben. Er helfe damit auch sehr langristig dem Klimaschutz.

Biologe Chrisitian Schwab wies darauhin, dass Bayern das einzige von 16 Bundesländern ist, in dem Schutzstreifen an Gewässern nicht per Gesetz vorgeschrieben sind. Hierdurch habe man in Bayern logischerweise mehr Nutzungskonflikte mit der Landwirtschaft als in allen anderen Bundesländern und bürde den Kommunen als Unterhaltungspflichtige für Gewässer 3. Ordnung, enormes Konfliktpotential zur Bewältigung auf. Bei ber Beseitigung von Biberdämmen, was nur mit naturschutzrechlicher  Genehmigung des jeweiligen Landratsamts zulässig sei, sollte man erst in der Mitte des Damms eine schmale Öffnung schaffen, so dass der Wasserstau beseitigt werde und erst anschließend den Schlamm oberhalb des Damms entnehmen. Auch sei die Verschlammung des Kiesbetts weniger dem Biber zuzuschreiben als dem Bodenabtrag von Maisäckern auf Hanglagen bei Starkregen. Hier müsse man primär ansetzen.

Der Vorschlag von Peter-Michael Schmalz, bei der Beseitigung von mehreren aufeinanderfolgenden Dämmen von oberstrom nach unterstrom vorzugehen, so dass der aufgewirbelte Schlamm sich zunächst immer wieder an einem unterstromigen Damm ablagert und dort rechtzeitg vor dem weiteren Abdriften gleich mit dem Bagger entnommen werden kann, wurde vom Wasserbauer des WWA Landshut, Andreas Schranner, und auch von den anderen Fachleuten als unbedingt empfehlenswert bewertet. Die andere Vorgehensweise, nämlich von unterstrom nach oberstrom hätte den fatalen Nachteil einer sehr viel intensiveren und länger anhaltenden Schlammbelastung der Fisch-, Muschel- und Kleintierwelt des unterstromigen Bachlaufs.

Zum Schluss der Expertenrunde fasste Umweltreferent Peter-Michael Schmalz das einvernehmlich von allen Wissenschaftllern und auch von Landwirt Johann Wocheslander getragene Ergebnis des weiteren Vorgehens zusammen.

Als kurzfristige Maßnahme werden noch im Winter mit einem Kettenbagger 5 - 6 Biberdämme entsprechend der im Detail besprochenen Vorgehensweise entfernt. Dabei wird der ausgebaggerte Schlamm am Ufer ausgebreitet und von ihm per Hand auf Muscheln untersucht und die Muscheln wieder im sauberen Kiesbett des Baches fachgerecht eingesetzt. Der Schlamm wird anschließend verladen und auf flache Felder in größerem Abstand zum Esperbach wieder ausgebracht.

Als mittelfristige Maßnahme (1 - 2 Jahre) sollen die unmittelbar beidseits am Bachlauf anliegenden 4 Hektar Flächen Johann Wocheslander für Naturschutzzwecke abgekauft werden. Entweder mit einem Fördersatz von 75 - 85% durch die Gemeinde, Landkreis oder einen Naturschutzverband. Einhellig positiv wurde dabei auch der ergänzende Vorschlag von Peter-Michael Schmalz aufgenommen, dass er mit der Autobahndirektion Südbayern Kontakt aufnimmt. Die Autobahndirektion suche dringend ökologische Ausgleichsflächen für deren Straßenbauvorhaben. Auch gehören ihr bereits die Grundstücke beiderseitig des Baches unterhalb von Landwirt Wocheslander als ökologische Ausgleichsflächen für die B 15 neu.

Bei der Verabschiedung waren sich alle Teilnehmer einig, dass dies ein sachorientierter und erfolgreicher Ortstermin war und freuten sich bei den herrschenden Minusgraden auf eine wärmende weihnachtliche Stube.

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